Die erste Runde eines Opens ist meist durch die hohe Elodifferenz zwischen den Gegnern gekennzeichnet. So war es auch beim Lüneburger Open. Ich wurde gegen einen älteren Herrn gelost, der mir bereits vor der Partie mitteilte, dass seine Elozahl von 1808 eigentlich viel zu hoch sei. Doch nicht nur vor der Partie sondern auch währenddessen war mein Gegenüber sehr gesprächig. So brachte er mit seiner Aussage: „Ich schlafe jetzt schon gleich ein“ nicht nur mich, sondern auch alle Umstehenden zum Schmunzeln. Auf liebenswerte Weise kommentierte er viele meiner Züge z.B. mit „Aha, so geht das ja auch“ oder nach längerem Nachdenken „ Ach jetzt verstehe ich das endlich!“.
Wie fast alle „Favoriten“ konnte auch ich meine Partie gewinnen. Tatsächlich konnten nur zwei „Außenseiter“ ihren elomäßig überlegenen Gegnern standhalten. Das war zum einen Imamali Askerov (1347), der gegen den 700 Elopunkte stärkeren Werner Schirmer (2028) ein Remis erreichte. Und zum anderen war das Frederik Svane (1753), der gegen Hannes Meyner (2251) sogar gewinnen konnte. Ich habe mir die Partie angeguckt. Es war eine Partie mit Höhen und Tiefen: Beide Seiten standen zwischenzeitlich auf Gewinn, dann wiederum war es einige Zeit lang ausgeglichen. Am Ende konnte der 2004 geborene (!!!!) Frederik die Partie für sich entscheiden. Ich denke, wir werden in diesem Turnier und auch in Zukunft noch viel Positives von Frederik hören und es ist nicht auszuschließen, dass er mal so gut wie sein Bruder Rasmus wird. Dieser gehört der fast schon legendären „Prinzen“-Gruppe an – einer Gruppe hochtalentierter Nachwuchsspieler(innen), die allesamt in den letzten Jahren eine unglaubliche schachliche Entwicklung zu verzeichnen hatten. Rasmus spielt in Lüneburg im Großmeisterturnier mit und trennte sich in der ersten Runde von Malte Colpe mit einem Unentschieden.
Zurück zum Open: Dadurch, dass sich kurzfristig noch einige Teilnehmer aus den IM- und GM-Turnieren (darunter auch mein Freund) für das Open angemeldet haben, bin ich jetzt nur noch an 11 gesetzt. Gestern wurde ich während der Livesendung von Jonathan gefragt, was denn so mein Ziel sei. Ich habe geantwortet, dass ich vor allem gute Partien spielen will. Ich finde, das klingt immer nicht besonders authentisch. Schließlich will wohl jeder zunächst erst mal gewinnen und alles andere ist Zusatz. Aber ich finde es in der Tat nicht so sehr befriedigend, wenn man eine Partie unverdient gewinnt. Dagegen ist es ein schönes Gefühl, wenn man schöne strategische Manöver und taktische Finessen gefunden hat. Selbstverständlich ärgere auch ich mich wie verrückt, wenn ich dann eine solche Partie am Ende wegen eines Einstellers etc. verliere, aber für mein schachliches Selbstbewusstsein sind solche Verlustpartien wertvoller, als glückliche Siege.
Aber natürlich ist mir das Ergebnis nicht egal. Es wär schön, wenn ich am Ende zu den Preisträgern gehören würde und ein paar Elopunkte dazugewinnen könnte. Schließlich muss ich, wenn ich
langfristig in der Nationalmannschaft bleiben will, noch einen Zahn zulegen!
Hier geht es zu Runde 2: Runde 2 – Lob ans Organisationsteam