Mit dieser Frage wurde ich während meiner letzten Partie konfrontiert. Denn mein Gegner Aleksandr Karpatchev (2488) hatte seine stets deutlich bessere Stellung überzogen. Und plötzlich fand ich mich in einem Endspiel Turm + Bauer gegen Turm wider (siehe Diagramm) – einer Stellung, die theoretisch Remis und nicht besonders schwer zu halten ist.
Schlussstellung Karpatchev - Ohme 0,5-0,5
(aus Sicht von Schwarz)
Aber: Mein Gegner hatte nur noch 17 Sekunden für den Rest der Partie… Zu wenig, um noch genügend Züge zu spielen um im Rahmen einer Reklamation ein Unentschieden zu erzwingen. Und er reklamierte auch gar nicht. Stattdessen erklärte er mir lautstark auf Russisch, dass die Stellung Remis sei und ich nicht weiterspielen solle. Vielleicht lies ich mich von seinem dominanten Auftreten einschüchtern. In dem Moment empfand ich es aber auch einfach als unfair, diese Stellung noch auf Sieg weiterzuspielen, zumal ich die ganze Partie über um Ausgleich kämpfen musste. Aber nach der Partie habe ich mich dann doch gefragt: Gehört die Zeiteinteilung nicht genau wie das schachliche Können auch zur Partie dazu?
Hätte mein Gegner in meiner Situation nicht auch gnadenlos weitergespielt? Warum reklamiert mein Gegner nicht, wenn er Remis haben will? Und warum überlegt mein Gegner mit 1 Minute auf der Uhr an einem Zug 30 Sekunden lang und beschwert sich dann, dass ich auf Zeit spiele?
Ich bin zu dem Schluss gekommen: Mein Verhalten war fair, aber auch ein klein bisschen dumm! Und ich würde es das nächste Mal wahrscheinlich wieder genauso machen.
Die Leser, die meine Partie gegen Lev Gutman (Runde 3) verfolgt haben, werden sich vielleicht fragen, warum ich dort kein Remis gemacht habe. Nun, zunächst erst mal hat mir Lev an keiner Stelle Remis angeboten, geschweige denn reklamiert. Und der wesentliche Unterschied war, dass ich gegen Lev die ganze Partie über auf Sieg gespielt habe und nicht wie gegen Karpatchev gehofft habe, die Stellung irgendwie zusammenhalten zu können.
Wie dem auch sei, bisher läuft es gut und ich freue mich schon sehr auf die heutige Partie gegen Dr. Igor Rausis (2532). Ist auf jeden Fall gut, dass ich nicht das GM-Turnier mitspiele, sonst hätte ich durch mein langes Spielen bestimmt schon mal die Nachmittagsrunde nach hinten verschoben.
Okay, was gibt es sonst noch aus Runde 4 zu berichten? An Brett 1 gewinnt Michael Kopylov (2454) recht unspektakulär gegen Boris Chatalbashev (2560). Ich verstehe immer noch nicht, warum Boris im 12. Zug die Qualität geopfert hat… Auch Frederik brachte ein mir nicht ganz verständliches Qualitätsopfer. Am Ende reicht es aber für ein Unentschieden gegen Matthias Wasmuth (2163). Bisher ein gutes Turnier für das Nachwuchstalent!
Niko stand lange Zeit gut gegen Josip Gazic (2282), konnte dann aber in Zeitnot nicht die richtigen Züge finden und musste sich am Ende mit Remis zufrieden geben. Hier die Endstellung:
Gazic - Lubbe: Remis wegen Zugwiederholung 44. Dd5 Kh8 45. Dd4 Kg8
Nach Runde 4 führt Michael Kopylov mit vier Punkten vor Arghyadip Das (2493), Dr. Igor Rausis (2532), Aleksandr Karpatchev (2484) Mikail Ivanov (2392) und mir mit jeweils 3,5 Punkten.
Gestern nach der Runde waren wir (das Orga-Team, Niko und ich) noch bei Peter Winslow zum Abendessen eingeladen. Peter arbeitet bei elativum - dem Sponsor des Turniers. Er selbst ist auch Schachspieler, hatte jedoch nicht genug Zeit, um hier am Lüneburger Open teilzunehmen. Dafür kommt er fast täglich zum Zuschauen und Anfeuern vorbei.
Heute leider keine Fotos :-( Vielleicht bin ich heute ja mal schneller fertig, dann kann ich noch ein paar Impressionen vom Turnier beisteuern. Für heute rette ich mich damit, dass ich auf die Fotos des Veranstalters unter http://www.schachturnier-lueneburg.de/fotos.php verweise.
Bis morgen!
Hier geht es zu Runde 5: Runde 5 – Zumindest war ich früh genug fertig, um noch schwimmen zu gehen…