Hallo liebe Schachfreunde,
seit meinem letzten Turnier sind noch nicht einmal drei Wochen vergangen und schon wieder befinde ich mich umgeben von lauter Schachspielern, die alle darauf warten morgen die erste Partie
bei der diesjährigen Mannschafts-Europameisterschaft spielen zu können.
Ich selbst bin inzwischen seit vier Jahren Mitglied der deutschen Frauen-Nationalmannschaft und wurde auch dieses Jahr wieder für dieses wichtige Turnier in Porto Carras (Griechenland) nominiert.
Leider muss man sagen, dass die Frauenmannschaft in den letzten Jahren auf internationalen Turnieren wie EM oder Olympiade keine Bäume ausgerissen hat und diesbezüglich deutlich Bedarf zur
Verbesserung besteht. Ich denke, dass das mit der in Griechenland antretenden Mannschaft (Pähtz, Michna, Ohme, Levushkina, Hoolt) jedoch durchaus zu realisieren ist. Ich wage zu behaupten, dass
das die stärkste Mannschaft ist, die wir seit langem gestellt haben, und mit der Startrangnummer 7 sind wir jedenfalls nominell auch nicht so weit von einer vorderen Platzierung entfernt.
Allerdings muss man beachten, dass dieser Setzlistenplatz nicht unbedingt allzu aussagekräftig ist. Die hinter uns gesetzten Mannschaften haben teilweise nur wenige Elopunkte im Schnitt weniger
und können somit kaum als schwächer bezeichnet werden. Die Zielsetzung „Setzplatzverbesserung“ ist also gar nicht so bescheiden, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag.
Aber egal wie es am Ende ausgehen sollte – es wird hoffentlich ein spannendes Turnier werden. Und damit ihr so viel wie möglich am Geschehen teilhaben könnt, werde ich täglich meine Eindrücke und
Erlebnisse wiedergeben. Ich werde mich in meiner Berichterstattung hauptsächlich auf die Frauenmannschaft beziehen, die Männer aber nicht vollständig vernachlässigen. :-) Ich hoffe ihr habt Spaß
beim Lesen und fiebert kräftig mit den beiden deutschen Teams mit!
Bei der Anreise zur Europameisterschaft zeigte sich, dass die deutschen Nationalspieler auf alle Ecken Deutschlands verteilt wohnen. Es bildeten sich mehrere Reisegruppen, die sich von
verschiedenen Flughäfen Deutschlands auf den Weg nach Thessaloniki machten, um von dort mit dem Shuttle nach Porto Carras zu gelangen. Ich traf am Frankfurter Flughafen auf Sarah, Rainer und
Georg und gemeinsam traten wir die etwa 2,5-stündige Reise in das zurzeit krisengebeutelte Griechenland an. Wir machten uns schon scherzhaft Sorgen, ob wir als Deutsche überhaupt eine
Einreisegenehmigung bekommen würden, aber zum Glück verlief alles glatt und wir erreichten um 15 Uhr (eine Stunde Zeitverschiebung) den Flughafen in Thessaloniki. Dort trafen wir auf Lise, Marta,
Jan, Uwe und Raj und auf eine ganze Menge anderer Schachspieler aus den unterschiedlichsten Nationen. Ich habe mich schon oft gefragt, ob man uns Schachspieler eventuell rein äußerlich als
Mitglieder dieser Spezies identifizieren kann. Natürlich ist das gängige Stereotyp (alter Mann mit Hornbrille) nicht besonders realistisch aber ich bemerke zum Beispiel oft, dass Schachspieler
etwas orientierungslos in der Welt rumlaufen und mit ihrem intelligenten aber irgendwie auch abwesendem Gesichtsausdruck nicht richtig in die Umgebung zu passen scheinen. Wie dem auch sei: Ich
kenne hauptsächlich sehr sympathische Schachspieler und würde nur die wenigsten als wie-von-einem-anderen-Stern-kommend bezeichnen…
Jedenfalls wurden wir alle zu unserem Hotel – dem Porto Carras Grand Resort – gefahren. Die Fahrt dauerte noch mal knapp zwei Stunden, ging aber schnell vorbei, da ich mit Sarah die Zeit nutzte
um alle (außerschachlichen) Neuigkeiten auszutauschen. Das Fünf-Sterne-Hotel machte von außen und innen schon mal einen ganz guten Eindruck und ich war sehr gespannt auf unsere Zimmer. Ich sollte
auch nicht enttäuscht werden. Jeder von uns bekam ein großes Einzelzimmer das optisch schon etwas hermachte. Nur die Haare in der Dusche haben mich dann doch etwas gestört… Außerdem entdeckte ich
schnell einen großen Mangel: Es gibt kein Internet… naja, jedenfalls kein kostenloses Internet. Zu allem Übel stellte ich schnell fest, dass ich ein falsches Ladegerät eingesteckt hatte und mein
Handy gerade den Geist aufgegeben hatte… ich war also vorerst von der Außenwelt abgeschnitten. Kein guter Anfang, wenn man zeitnah von dem Turniergeschehen berichten will. Ich beschloss also in
den sauren Apfel zu beißen und mir einen Internetzugang zu kaufen. Gesagt, getan. Doch leider funktioniert das Internet bis jetzt immer noch nicht richtig und ich hoffe inständig, dass sich das
in den nächsten Stunden ändern wird. Die Frau an der Rezeption versicherte mir jedenfalls, dass es sich nur um einen vorübergehenden Fehler handeln würde.
Um 19.30 Uhr traf sich die Frauenmannschaft zum Abendessen. Die Auswahl war ziemlich groß, aber ich muss gestehen, dass mir das Essen heute nicht so zugesagt hat. Die Nudeln waren für meinen
Geschmack viel zu fettig und auch sonst konnte mich nichts so richtig überzeugen. Aber vielleicht bin ich auch nur etwas verwöhnt von dem Essen in Merlimont beim Mitropa-Cup…
Anschließend war ein Fototermin angesagt. Zu diesem Anlass sollten wir alle in unserer Mannschaftskleidung (Hemd, Jackett und Krawatte bei den Männern und Bluse, Blazer und Tuch bei den Frauen)
erscheinen. Auch wenn die Blusen teilweise echt zu groß sind und es noch einige Probleme beim Krawattenbinden gab, sahen wir dann doch ganz adrett aus wie wir so einheitlich gekleidet in der
Eingangshalle posierten. Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass auch die deutsche Nationalmannschaft endlich über Mannschaftsbekleidung verfügt und deshalb hier an dieser Stelle ein großes
Dankeschön an den Sponsor UKA, der diese Maßnahme ermöglichte. Nach dem Fotoshooting wurden wir auf unsere Zimmer entlassen. Jeder von uns hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und die
meisten sehnten sich einfach nur nach ihrem Bett. Auch ich werde heute wohl nicht mehr viel unternehmen und erst morgen Fitness-Studio und Swimmingpool erkunden.
In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute und melde mich dann morgen Abend wieder (vorausgesetzt das Internet funktioniert bis dahin…).