24 Stunden nach meiner Ankunft in meiner Gastfamilie fühle ich mich fast schon ein bisschen heimisch. Nun ja, jedenfalls fühle ich mich nicht mehr ganz so verloren wie am Anfang. Meine Gastmutter ist zwar so gut wie nie da, kümmert sich aber trotzdem reizend um mich und ihr Kleiner ist ein richtiger Wirbelwind.
Unglücklicher Weise habe ich mir heute früh sogar meinen Wecker gestellt, damit ich auch ja nichts von meinem vorerst einzigen freien Tag verpasse. Leider ist meine Gastmutter erst 3,5 Stunden nach mir aufgestanden, sodass ich den ganzen Vormittag über nichts Richtiges unternehmen konnte. Stattdessen schmökerte ich in meinen mitgebrachten russischen Büchern und schrieb mir nützliche Wortverbindungen raus mit dem festen Vorsatz, diese bei der nächstbesten Gelegenheit auch anzuwenden. Mal schauen, ob ich gegen Ende meines Aufenthaltes hier immer noch so motiviert bin…
Zum Mittagessen gab es eine ortstypische Weißkohlsuppe (keine Ahnung, ob es dafür einen Fachausdruck gibt) mit dunklem Brot. Sicherlich nicht für jeden das Richtige aber mir schmeckt es
eigentlich ganz gut. Besonders gespannt bin ich aber auf die weltbekannten Nationalgerichte der Russen: Borschtsch und Bliny. Bei dem Erstgenannten handelt es sich um eine herzhafte Suppe aus
roter Bete, Kartoffeln, Karotten, Weißkraut und anderem Gemüse. Bliny ähneln unseren Eierkuchen - bzw. Pfannkuchen in Westdeutschland :-) - und werden meist mit Butter, Quark oder Hackfleisch
verzehrt. Beide Gerichte habe ich bereits während meinen beiden Russlandaufenthalten (Jekaterinburg und Khanty-Mansijsk) im Hotel oder Restaurant getestet … vielleicht gibt es ja aber einen
Unterschied, wenn sie von einer echten russischen домохозяйка (Hausfrau) zubereitet werden.
Generell gibt es zu fast jeder Mahlzeit Fleisch, was mich liebevoll an meinen Freund denken lässt mit dem ich die letzten Wochen fast jeden Tag die Diskussion Fleisch vs. Gemüse geführt habe
(wobei ich eher die Gemüseseite vertreten habe).
Nachmittags sind Nina und ich dann in die Stadt gefahren. Das wäre für mich alleine wohl eine ganz schöne Herausforderung gewesen. Das erste Problem stellte schon mal das Kaufen einer geeigneten Fahrkarte dar. Wir haben uns schließlich für eine 40-Fahrten-Karte (ca. 20 Euro) entschieden, da eine Monatskarte ungefähr doppelt so teuer ist. Bei dieser Fahrkarte handelt es sich um ein elektronisches Ticket, das ähnlich wie in deutschen Schwimmbädern am Eingang zur U-Bahn-Station ein Drehkreuz aktivieren kann. Innerhalb des U-Bahn-Netzes kann man sich dann frei bewegen bis man schließlich einen Bahnhof verlässt. Eigentlich eine recht gute Lösung wie ich finde. Die Rolltreppen zu den Gleisen erstrecken sich über mehrere Meter, sodass man einige Minuten für diese Strecke einplanen muss. Neben den normalen Stationen gibt es auch so genannte Stationen geschlossenen Typs. Dort ist der Bahnsteig von der Fahrtstrecke durch eine Wand getrennt, die nur genau an den Stellen Türen hat, an denen sich die Türen der Waggons beim Halt befinden. Die fensterlosen Stahltüren, die nur beim Eintreffen einer Bahn geöffnet werden, erinnern stark an Fahrstühle weshalb diese Stationen auch horizontale Aufzüge genannt werden.
Nina zeigte mir die Sprachschule, zu der ich morgen dann alleine fahren soll. Eigentlich kein schwerer Weg (nur einmal umsteigen und etwas laufen), aber bei meinem Orientierungssinn eine echte Herausforderung. Anschließend galt es eine Bank aufzutreiben, damit ich auch mit der russischen Währung (Rubel) bezahlen konnte. Nachdem auch diese Hürde überwunden war (gar nicht so einfach eine visakarten-akzeptierende Bank aufzutreiben, die sonntags geöffnet hat), tätigte ich meinen ersten Einkauf. Dabei machte ich die Erfahrung, dass Wasser hier wohl sehr unterschiedliche Qualität zu haben scheint. Jedenfalls kosteten die drei 2-Liter-Flaschen, die ich mir zugelegt habe jeweils das Doppelte voneinander.
Vielmehr Berichtenswertes habe ich jedoch heute nicht erlebt. Dafür noch ein Nachtrag zu meinem gestrigen Bericht: während unserer Fahrt durch St. Petersburg fragte ich den Fahrer, ob er denn Schachspielen könne. Er verneinte und auf meine Bemerkung, dass Schach ja in Russland einen recht hohen Stellenwert habe erwiderte er mit einem verächtlichen Lachen, dass Boxen der weitaus bessere Sport sei. Ich habe ihm nicht erzählt, dass ich aktive Schachspielerin bin. :-)
Obwohl es hier noch taghell ist (es ist bereits 22.00 Uhr), werde ich wohl bald schlafen gehen – schließlich wartet morgen ein anstrengender Tag auf mich und ich möchte den Eingangstest
schließlich nicht vermasseln.
:-)
bis bald,
eure Melanie