Im Magnus Carlsen Invitational haben die acht eingeladenen Spieler zunächst im Rundenturnier um die ersten vier Plätze gekämpft. Geschafft haben das Hikaru Nakamura, Ding Liren, Magnus Carlsen und Fabiano Caruana. Diese vier spielten anschließend in einem Knockout-Turnier den Gesamtsieger aus. Dafür durften im Halbfinale zunächst Platz 1 und 4 (also Hikaru gegen Fabiano) sowie Platz 2 und 3 (Ding gegen Magnus) gegeneinander antreten.
Im Finale traten dann die jeweiligen Sieger um den Gesamtsieg und damit auch um 70.000$ Preisgeld an.
Der Modus gleicht zunächst dem des Rundenturniers: es werden 4 Schnellschach-Partien mit einer Bedenkzeit von 15min +10sek gespielt. Bei einem 2:2-Unentschieden werden dann jedoch erst 2 Blitzpartien (5min +3sek) und ggf. 2 weitere Blitzpartien gespielt, bevor es dann zur Armaggedon-Partie kommt.
Halbfinale
Im Halbfinale traten Nakamura und Caruana sowie Carlsen und Ding gegeneinander an.
Hikaru Nakamura - Fabiano Caruana
Ein sehr spannendes Match mit vielen Emotionen bekamen wir zwischen den beiden US-Amerikanern zu sehen.
Partie 1 war ein ruhiger Auftakt, ab Partie 2 ging es dann aber richtig zur Sache. Dort stellte Nakamura nämlich in besserer Stellung eine Qualität ein und musste dann um Ausgleich kämpfen. Das gelang ihm auch - der Zwischenstand also 1:1.
In Partie 3 dann die erste Entscheidung - und zwar für Hikaru, der mit Schwarz gewinnen konnte.
In der vierten Partie musste Fabiano dann mit Schwarz gewinnen und wählte einen Königsindischen Aufbau. Diese Strategie war von Erfolg gekrönt: mit einem Figurenopfer konnte er den finalen Angriff einleiten.
Bemerkenswert waren Hikarus Emotionen, die man während des Matches gut beobachten konnte.
Verzweiflung und Trauer waren ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
Dabei war das Match noch gar nicht zuende sondern ging lediglich in die Verlängerung mit zwei zusätzlichen Blitzpartien.
Die erste Blitzpartie war dann wieder ein Auf und Ab der Gefühle. Zunächst war Hikaru am Drücker, dann konnte Fabi die Initiative erlangen. Und genau dann, als Fabi wirklich gut stand, stellte er aufgrund eines Rechenfehlers einzügig einen Turm ein.
Ein glücklicher Sieg für Hikaru, der seiner Freude darüber mit einer entsprechenden Geste Ausdruck verlieh.
In der zweiten Blitzpartie hätte es dann fast den vierten Schwarzsieg in Folge gegeben. Aber eine präzise Verteidigung von Hikaru führte dazu, dass Fabi im Endspiel nicht durchbrechen konnte, dies aber dennoch versuchen musste.
Auf dem Papier also ein deutliches 4-2 Ergebnis für Hikaru, was auf dem Brett aber alles andere als klar war. Herzlichen Glückwunsch an Hikaru, der damit ins Finale des Magnus Carlsen Invitationals einzieht.
Die Live-Kommentierung der ersten Begegnung im Halbfinale sowie eine Zusammenfassung des Matchs könnt ihr euch hier anschauen:
Ding Liren - Magnus Carlsen
Erst vor 2 Tagen saßen sich Magnus Carlsen und Ding Liren virtuell im Rundenturnier gegenüber. Das Match konnte Ding klar für sich entscheiden, nicht zuletzt wegen Magnus' kreativer Eröffnungswahl.
Deswegen warteten alle gespannt auf Magnus' erste Züge, die diesmal aber deutlich solider ausfielen.
In Partie 1 wählte er das Londoner System und konnte sich damit einen kleinen Vorteil erspielen. Der reichte aber nicht aus - am Ende war die Stellung sogar so geschlossen, dass Magnus einen Läufer opfern konnte .
In der zweiten Partie kam dann der Schockmoment für alle Carlsen-Fans. In komplizierter aber etwas besserer Stellung mit Mehrbauer, stellt Magnus einzügig die Partie ein. Nach 31....Kh7?? kam 32.Txf6 nebst De3 und Aufgabe von Schwarz.
Mit einem Punkt Vorsprung konnte Ding recht entspannt in die dritte Partie starten und sich sogar direkt einen ordentlichen Vorteil erarbeiten. Dann wurde Magnus aber erfinderisch und stellte Schwarz vor einige Probleme. Die konnte Ding nicht alle lösen und wurde letztendlich Matt gesetzt. Ein starkes Comeback des Weltmeisters.
Die vierte Partie war von Anfang an hochgradig kompliziert. In einer dynamischen Stellung mit noch fast allen Figuren auf dem Brett, mussten immer die verschiedensten Optionen geprüft und berechnet werden.
Im 28. Zug ergab sich dann die erste Möglichkeit einer Zugwiederholung, der Magnus aber mit einer taktischen Abwicklung auswich. Die dann resultierende Stellung brachte ihm zwar eine Mehr-Qualität aber auch jede Menge Probleme im Zentrum ein.
Sowohl auf der Uhr als auch auf dem Brett war Ding dann im Vorteil, bis es zur nächsten Zugwiederholung kam. Diesmal wich Ding aus, verbrauchte dafür aber fast seine komplette Zeit.
Und dann ging alles ganz schnell: als sich nach einem taktischen Schlagabtausch der Rauch verzieht, steht Magnus plötzlich gut und zwei Züge später bereits auf Gewinn.
Somit zog Magnus etwas glücklich ins Finale gegen Hikaru Nakamura ein.
Die Live-Kommentierung der zweiten Begegnung im Halbfinale sowie eine Zusammenfassung des Matchs könnt ihr euch hier anschauen:
Finale
Magnus Carlsen -Hikaru Nakamura
Nach 15 Tagen Spannung und Unterhaltung erreichte das Magnus Carlsen Invitational heute seinen Höhepunkt. Im Finale trafen Weltmeister Magnus Carlsen und die Nr 1 im Blitzschach Hikaru Nakamura aufeinander.
Schon im Rundenturnier (Runde 1) hatten die beiden gezeigt, dass sie ebenbürtige Gegner sind und sich gegenseitig nichts schenken. Damals konnte sich Magnus nach einem 2-2 (bei vier entschiedenen Partien) in der Armaggedon-Partie durchsetzen.
Und auch heute hätte es spannender kaum sein können. Direkt die erste Partie wurde entschieden - und zwar zu Gunsten von Magnus Carlsen, der im Endspiel wieder höchste Lavierkunst zeigte. Fast 40 Züge lagen zwischen der ersten und der zweiten Diagramm-Stellung:
Hikaru zeigte sich inspiriert von Magnus' Spielstil und schlug in Partie 2 mit einer ähnlichen Herangehensweise zurück. Auch er konnte mit dem Springer so lange tanzen, bis sich Magnus geschlagen geben musste.
In Partie 3 konnte Magnus vor allem mit seiner Vorbereitung glänzen. Durch den Einschlag auf e6 kam es zum Materialverhältnis Turm + 2 Bauern gegen 2 Figuren, was nicht in allen Stellungen vorteilhaft - teilweise sogar nachteilig - ist. In der konkreten Situation konnte Magnus aber von schlecht koordinierten gegnerischen Figuren profitieren und kontinuierlich Druck ausüben.
Am Ende machten zwei verbundene Freibauern das Rennen: 2-1 für Magnus.
Die vierte Partie war dann die dramatischste des gesamten Matches - schon allein aufgrund der Matchsituation. Hikaru musste gewinnen, um weiterhin um den ersten Platz kämpfen zu können. Da bisher alle 7 Schnellschachpartien zwischen den beiden die weiße Seite gewinnen konnte, standen seine Chancen gar nicht so schlecht.
Und tatsächlich erreichte er aus der Eröffnung heraus eine Stellung mit Mehrbauer, die zwar objektiv noch okay aber für Schwarz schwierig zu spielen war.
Der Vorteil wurde dann auch immer größer und hätte auch zum Gewinn gereicht - nach einigen wenigen ungenauen Zügen aber nicht mehr.
Magnus konnte sich in ein Remis retten und damit das Match für sich entscheiden. Herzlichen Glückwunsch an den Gastgeber und Sieger des Magnus Carlsen Invitationals! Und vielen Dank für die großartige Unterhaltung - was für ein hochkarätiges und unterhaltsames Turnier. Bitte mehr davon.
Die Live-Kommentierung des Finales sowie eine Zusammenfassung des Matchs könnt ihr euch hier anschauen:
Hier noch die Ergebnisse des Knockout-Turniers und die Gesamtplatzierungen im Überblick:
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SchachTyp (Samstag, 02 Mai 2020 14:06)
Wirklich schöne Kommentierung mit Niclas Huschenbeth