Was für eine grandiose sechste Runde! Wir sehen einen Weltmeister, der sich selbst in nur 7 Zügen in eine Verluststellung manövriert, mehrere Königswanderungen und zwei Armaggedon-Partien.
Magnus Carlsen - Ian Nepomniachtchi
Der Auftakt der sechsten Runde hätte kurioser nicht sein können. Magnus wiederholt seine zweifelhafte Eröffnungswahl aus der vierten Runde gegen MVL: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Lc4, reagiert auf das konsequente 5...Sxe4 mit 6.Dh5 und verfällt nach 6....e6 in 6-minütiges Nachdenken, bevor er dann den Verlustzug 7.Sxe6 spielt.
Die Figur ist weg, und damit auch die Partie. Nach 28 Zügen ist es vorbei - Nepo geht 1:0 in Führung.
In der zweiten Partie nimmt ein vergleichbares Drama seinen Lauf. Magnus eröffnet mit 1.e4 Sc6, steht dann bald mit offenem König da und kann diesen mit einer Königswanderung auf der anderen Brettseite in Sicherheit bringen.
Magnus kann sich dann zwei Mehrbauern erarbeiten, um dann mit einem einzigen Zug die klare Gewinnstellung ins Remis zu verschenken. Sein Frust ist für die Zuschauer deutlich sichtbar.
In der dritten Diagrammstellung hätte 49...Td3 den Sieg gebracht, stattdessen ist es nach 49...Kg5 50.De3 Dauerschach.
Die dritte Partie verläuft dann deutlich besser für den Weltmeister, der sich aus der Eröffnung heraus eine vorteilhafte Stellung erarbeitet und diese dann in Materialvorteil und schließlich zum Sieg umwandeln kann.
Partie 4 war dann die Ruhe vor dem Sturm, obwohl wir auch hier Ungleichgewichte und interessante Ideen zu sehen bekamen. Am Ende gab es jedoch ein Dauerschach und damit eine Armaggedon-Partie. Magnus durfte entscheiden und wählte die weißen Steine.
In der Armaggedon-Partie musste Magnus mit Weiß gewinnen und versuchte fast 60 Züge lang durchzudringen. Nepos Verteidgung war aber nicht zu knacken, bis es in ein Endspiel mit K+S+B gegen K+L ging. Das Endspiel war objektiv Remis und in einer normalen Partie auch nicht schwierig zu verteidigen. Mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr und einem am anderen Brettende befindlichen König, war es aber eine fast unlösbare Aufgabe. Zumal Magnus jede Menge zeitfressende Manöver durchführen konnte. Am Ende entschied dann aber nicht nur die Zeit, sondern auch die Stellung, die nach 79.Se6 gewonnen für Weiß ist.
Somit konnte sich Magnus 2 Matchpunkte und die temporäre Tabellenführung sichern.
Alireza Firouzja - Anish Giri
Das zweite Match des Tages war fast genauso dramatisch wie das erste. In Partie 1 schnappte sich Alireza zunächst einen Bauern auf a5, wenig später fiel die ganze schwarze Stellung in sich zusammen. 1:0 für den 16-Jährigen.
In Partie 2 ging es munter weiter. Alireza wickelte mit klarer Gewinnstellung unglücklich ab und es entstand eine zweischneidige Stellung mit leichterem Spiel für Giri. In der dann folgenden Zeitnotschlacht ging es immer wieder auf und ab, bis Giri letztendlich die Partie für sich entscheiden konnte. Ein glücklicher Ausgleich zum 1:1.
In Partie 3 war dann das Glück auf Firouzjas Seite, der in der Partie nur eine einzige Chance bekam und diese auch nutzte. Nach 60.Tb6 wird Schwarz plötzlich Matt gesetzt.
In Partie 4 musste Giri dann noch mal alles versuchen, ein Sieg gelang ihm aber nicht.
Hikaru Nakamura - Ding Liren
In dem Match Hikaru Nakamura gegen Ding Liren gingen alle vier Schnellschachpartien Remis aus, waren aber keinesfalls langweilig.
Direkt in der ersten Partie hatte Nakamura eine große Chance in Führung zu gehen . Statt 38.Dxe5 wäre 38.Dh4 der Gewinnzug gewesen. Die Partie ging spannend weiter, am Ende reichte die Mehr-Qualität aber nicht zum Sieg.
In Partie 2 war es Nakamura, der mit dem Rücken zur Wand stand und gute Verteidigungsleistungen zeigen musste. Insbesondere 35.Lc8 war ein feiner Zug, der schwarze vor einige Probleme stellte, die Nakamura aber alle lösen konnte. So blieben dann nur noch 2 Könige auf dem Brett - Remis.
Partie 3 brachte uns eine Zugwiederholung nach 25 Zügen. Und Partie 4 ähnelte der zweiten Partie sehr, nur dass diesmal niemand Vorteil erzielen konnte. Auch hier kam es nach 34 Zügen zur Zugwiederholung.
Somit gabs wieder eine Armaggedon-Partie, bei der sich Nakamura für die schwarzen Steine entschied. Bei dem Versuch, die Partie für sich zu entscheiden, übersah Ding eine hübsche taktische Idee, die ihn den Turm kostete.
Für Ding eine verschmerzbare Niederlage, der nun trotzdem uneinholbar auf Platz vier und somit auf den Plätzen für das Knockout-Turnier liegt. Nakamura teilt sich nach seinem Sieg nun die Tabellenführung mit Magnus.
Fabiano Caruana - Maxime Vachier-Lagrave
Im Match zwischen Fabiano Caruana und Maxime Vachier-Lagrave sah der Franzose kein Licht. Bereits die erste Partie begann mit einer vernichtenden Niederlage
Obwohl der schwarze König von e8 über d8 und c7 nach b8 einen weiten Weg zurück gelegt hatte, konnte er dort kein sicheres Plätzchen finden. Zunächst öffnete Fabiano mit 31.a4 die Stellung, dann harmonierten Dame und Springer in einem tödlichen Mattangriff.
In der zweiten Partie war es auch eher Fabi, der auf Vorteil hoffen konnte. Letztendlich kam es dann aber doch zu einem symmetrischen ungleichfarbige Läuferendspiel - Remis.
Partie 3 war dann was für die Endspielfans: Fabi knetete ein Damenendspiel mit Mehrbauern (Stellung links) ganze 50 Züge bis zum Gewinn. Mit 103 Zügen die bisher längste Partie im Turnier.
Vor der vierten Partie stand Fabiano also schon als Matchsieger fest und MVL hatte keine Chancen mehr auf das KO-Turnier.
Vielleicht wählte er auch deswegen 1.e3, spielte dann aber eine wirklich gelungene Partie.
Zunächst wurde die Qualität auf c5 angeboten, die von Fabi aber verschmäht wurde.
Dann vereinfachte sich die Stellung etwas, Weiß behielt aber die Initiative.
Mit 36.f4 stellte MVL dann noch eine hübsche Falle, in die Caruana auch direkt tappte.
Nach 36...exf3 folgt 37.Df8 gefolgt von 38.Ld3 und Schwarz verliert eine Figur.
Ergebnisse und Zwischenstand
Hier noch mal die Ergebnisse der sechsten Runde im Überblick:
Und hier der Zwischenstand nach 6 Runden.
Hikaur Nakamura, Magnus Carlsen, Fabiano Caruana und Ding Liren stehen bereits als Teilnehmer des KO-Wettkampfs fest. Nun geht es nur noch um die genauen Platzierungen.
Kommentierung und Zusammenfassungen
Live-Kommentierung Runde 6a
Mit GM Niclas Huschenbeth, IM Nikolas Lubbe und WGM Melanie Lubbe.
Live-Kommentierung Runde 6b
Mit FM Makan Rafiee, IM Nikolas Lubbe und WGM Melanie Lubbe.
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