Läuferpaar hier, Läuferpaar dort. Irgendwie soll das etwas ganz besonders Gutes sein. Aber wann genau hat man denn "das Läuferpaar"? Aus meiner Turniererfahrung weiß ich nämlich recht genau, dass ich jede Partie mit "einem Paar", sprich 2 Läufern beginne. Und wenn "das Läuferpaar" was Tolles ist, wie bekomme ich es und wann lohnt es sich, sein Läuferpaar abzugeben? Nun gehen wir mal davon aus, es kommt eine Stellung auf´s Brett, in der ein Spieler "das Läuferpaar" besitzt. Vielleicht bist du das, vielleicht ist es dein Gegenüber. Aber wie kann man "das Läuferpaar" wirkungsvoll einsetzen oder wenn nötig auch bekämpfen?
In Vorbereitung eines Blockseminars in der Schachhochschule Braunschweig habe ich mich als Dozent mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Ich wählte dieses Thema sehr bewusst, weil ich aus meiner Turniererfahrung weiß, dass das richtige Spiel mit und gegen "das Läuferpaar" eine der wichtigsten Komponenten im positionellen Spiel ist. Dieser Artikel stellt eine abgespeckte Zusammenfassung meines Blockseminars dar und fasst für euch die wichtigsten Eckpunkte des Themas zusammen.
Zunächst einmal müssen wir das Gleiche unter den verwendeten Begriffen verstehen. Daher werde ich für die wichtigsten Schlüsselbegriffe eine Definition liefern, die dem Verständnis des weiteren Artikels dienen.
Unter positionellem Spiel im Schach verstehe ich in Abgrenzung zur Taktik eine langfristig angelegte Strategie der bestmöglichen Wirkungsweise der eigenen Figuren unter größtmöglicher Limitierung der gegnerischen Figuren.
Jeder startet mit zwei Läufern, dieser Umstand wird aber in den wenigsten Fällen als das Innehaben des Läuferpaars bezeichnet. Dieser rein auf den Wortlaut gestützen Auslegung des Begriffs mangelt es offensichtlich an Aussagekraft.
Kennzeichnend für diesen Ausdruck ist somit in Abgrenzung zur generellen Verteilung der Figuren, dass einer der beiden Spieler noch im Besitz beider Läufer ist, der Gegenspieler jedoch nicht.
Soweit, so klar. Aber weshalb verdient dieser Umstand denn überhaupt einer Erwähnung? Persönlich habe ich noch nie von einem Schachfreund gehört, der den Besitz beider Springer oder Türme mit den Worten: "Juhu, ich habe mir das Springerpaar erkämpft" gewürdigt hätte.
Erklären lässt sich dieser Umstand am besten, wenn man sich der Stärken und Schwächer seiner einzelnen Figuren bewusst wird und diese ins Verhältnis zum Wirken des jeweiligen Paares setzt. Der Springer hüpft im großen "L" über das Feld. So tut es der eine und auch der andere Springer. Zweifellos können zwei Springer äußerst stark sein, aber letztendlich ist "das Springerpaar" nichts weiter als die addierten Fähigkeiten jedes Einzelnen. Dem Läufer ist jedoch aufgrund seiner diagonalen Zugweise das Verbleiben auf der immer gleichen Felderfarbe aufgezwungen. Offensichtlich ein enormer Nachteil des Läufers. Beispielsweise wäre es dem auf f1 startenden Läufer zeitlebens unmöglich, jemals auf der Diagonale a1-h8 zu wirken. Ziemlich ärgerlich, wenn sich dort ein lohnenswertes Ziel befindet. Aber zum Glück gibt es ja noch seinen Partner, der sich stets auf den andersfarbigen Feldern bewegt. Und genau deshalb sagen wir auch "Läuferpaar". Zum Paar aufaddiert können die Läufer nämlich mehr, als es der jeweils betrachtete Läufer unter zweifacher, dreifacher oder vierfacher Anwesenheit (in der Praxis wohl kaum relevant, wer würde mehrere Bauern in Läufer umwandeln?) je könnte: Beide Felderfarben beherrschen!
Im Rahmen des Blockseminares habe ich mit den Schülern der Schachhochschule Abkürzungen für wiederkehrende Begrifflichkeiten entwickelt/definiert, um diese nicht immer wieder nennen zu müssen.
LP: Läuferpaar
SML: Spiel mit dem Läuferpaar
SGL: Spiel gegen das Läuferpaar
LOG: Läufer ohne Gegenspieler (in Stellungen, in denen eine Partei das LP besitzt, die andere einen Läufer)
Nun sind wir begrifflich und auch vom Verständnis auf einer Wellenlänge. Die Verinnerlichung der genannten Fakten und Definitionen werden euch aber schachlich wohl kaum voranbringen. Daher breche ich es mal auf die für mich essentiellen Fragen herunter:
Wir kennen nun die wichtigsten Begrifflichkeiten und die essentiellen Lernziele als Fragen formuliert. Auf diese Fragen gibt es jedoch gewiss keine allgemeingültigen Antworten, dafür gibt es schlicht zu viele denkbare Stellungen, in denen das Läuferpaar gegen andere Leichtfiguren spielt.
Das Vorgehen im Rahmen des Seminars und auch in diesem Artikel ist wie folgt:
Allgemeingültig wird eine Regel im Schach zwar nie sein, aber kennzeichnet eine in Schritt 4 abstrahierte Regel viele Partien, so lässt sich daraus eine gewisse Aussagekraft der Regel entnehmen.
Glücklicherweise haben weder die Hörer noch ihr etwas mit Schritt 1-2 am Hut. Diese Arbeit habe ich im Vorfeld erledigt und wir absolvieren "nur" die Schritte 3-5 gemeinsam. Wobei ich es mit den Schülern vor Ort tatsächlich gemeinsam gemacht habe, die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit stelle ich euch Lesern vor.
Es gibt einige Eröffnungen, in denen es typischerweise recht frühzeitig zu dem Tausch eines Läufers gegen einen Springer kommt. All diese Eröffnungen sind mehr oder weniger für unsere Zwecke geeignet. Auserkoren habe ich die folgenden Eröffnungen:
v.l.n.r.: Die Rossolimo-Variante im Sizilianer, Nimzoindisch und Trompowsky.
Mittels einer Referenzsuche zu den ausgesuchten Eröffnungen in entsprechenden Datenbanken bekommt man flott eine Vielzahl von Partien. Um besonders gut geeignete Partien zu finden, muss man sich die Arbeit machen und sie durchschauen. Habe ich natürlich bereits für euch gemacht =)
Dieser Punkt dient demnach mehr den Leuten, die in Zukunft mal was Ähnliches vorbereiten wollen.
Nun folgt die wirkliche Arbeit am Schachbrett. Ich werde euch auszugsweise mit den Schülern durchgegangene Partien vorstellen und die essentiellen Züge und Pläne im SGL/SML zeigen. Dabei werde ich der Übersicht zuliebe die entsprechenden Partien auf Unterseiten parken, klickt einfach die entsprechenden Links um zur Partie (im Browser spielbar, kein Brett nötig) zu gelangen. Wichtige Diagramme werden aber hier im Artikel dargestellt. Hier nun eine erste Partiestellung, um euch das Thema auch schachlich zu zeigen:
Sollte Weiß auf c6 schlagen und sein Läuferpaar aufgeben? Was erhält man dafür? Korrekterweise sollte man auf c6 schlagen, jedoch noch mit einem kleinen Einschub...Le3 zwingt Schwarz zu e6. Ziel des Einschubs ist die Limitierung des LOG auf c8.
Und ich hatte mit Weiß sehr einfaches Spiel.
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
Obiges Beispiel stellt die einfachste Art des Themas dar. So klar ist es mitunter aber selten, da man das LP meist vorher abgibt und sich die Limitierung der Läufer erst noch erkämpfen muss.
Es folgt ein weiteres Beispiel, bevor wir uns Partien aus der Rossolimo-Variante anschauen.
Welches Vorgehen wäre Rossolimo zu empfehlen gewesen?
Zunächst einmal liegt das mögliche Schlagen des Springers auf der Hand, aber wie weiter?
Auch dieses Beispiel dient noch der Einführung. Denn offensichtlich ist der Abtausch auf d5 gut für Schwarz. Denn er gibt das Läuferpaar nur temporär auf und kann forciert den potentiell starken Lc1 abtauschen. Den Läufer f3 muss Schwarz jedoch kaum fürchten, man beachte nur die Limitierung des Lf3 durch die eigenen Bauern!
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
SGL: Im SML ist meist ein Läufer der Stärkere, was an der häufig auftretenden Limitierung eines Läufers durch die Bauernstrukturen verdeutlicht wird. Schafft man es, denn potentiell starken Läufer zu tauschen, verbleibt dem ehemaligen Spieler mit LP nur ein schlechter Läufer.
Nun waren die Einführungsdiagramme recht offensichtlich, denn das Spiel gegen das Läuferpaar war jeweils bereits vorprogrammiert. Schauen wir uns also mal Partien an, in denen man entsprechendes SML oder SGL erst erzeugen muss.
Viele Gründe sprechen dafür, sich im Sizilianer als Weißspieler auch mal mit 3.Lb5 zu befassen. Häufig wird auf c6 geschlagen und Weiß gibt freiwillig das Läuferpaar auf. Wie derartige Partien unter Berücksichtigung des SML/SGL verlaufen können, schauen wir uns jetzt an:
Grischuk positioniert die Bauern auf Schwarz, damit der LOG auf c8 in Zukunft voll wirken kann. Weiß hingegen versucht wiederum mit seinen Bauern auf den weißen Feldern den LOG langfristig einzuschränken.
Weiß darf f4 nicht ohne Weiteres zulassen. Daher spielte Solak g4!, um eventuelles f4 mit Sf5 zu entkräften.
Beide Spieler haben hier sehr konsequent gespielt, um das SML/SGL zu maximieren. Die Partie endete nach einer taktischen Auseinandersetzung mit beiderseitigen Chancen 1:0.
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
SGL:
SML:
Weiß hatte in dieser Partie zunächst auf c6 eröffnungstypisch den ersten Läufer aufgegeben. Später folgte der nächste Läufer, aber so schlecht steht Weiß doch noch nicht, oder?
Taktisch gestützt durch Dd4+ im Fall des doppelten Schlagens auf e5 kann Schwarz die Stellung öffnen. Wenige Züge später gab Weiß auf.
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
SGL-Negativbeispiel:
SML:
Passend zu meinem Seminarthema spielte Caruana eine sehr gute Partie mit starkem SGL. Entstanden in der Rossolimo-Variante mit schwarzem Fianchetto.
In der Diagrammstellung spielte Radjabov e6?. Ein Fehler, denn e6 schließt den LOG auf c8 für lange Zeit vom Spiel aus.
Schwarz steht hier schon total auf Verlust. Zielführend war die konsequente Beschränkung der schwarzen Läufer.
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
SGL:
SML-Negativbeispiel:
Radjabov hatte bereits vor der oben genannten Partie bereits eine ähnlich verlaufene Partie gespielt. Es handelt sich ebenso um Rossolimo mit Fianchetto.
Einige Züge später gelang es Grischuk, den Lg7 abzutauschen. Was übrig bleibt, ist ein arg limitierter Läufer für Schwarz und ein potentiell alles erreichender Springer!
Diese Stellung ist bereits schwer für Schwarz zu spielen. Unternimmt er nichts gegen seine Gurke auf a6 wird er in arge Bedrängnis kommen.
Weiß hat den schwarzen Läufer grandios ausgespielt. Bald endete die Partie 1:0.
Merkmale der Partie, Regelabstraktion:
SGL:
SML-Negativbeispiel:
Nun einmal tief durchatmen und das Wichtigste bisher Revue passieren lassen. Was kann man aus den bisherigen Partien ableiten? Bisher deutet sich das Folgende an:
Spiel gegen das Läuferpaar:
Spiel mit dem Läuferpaar:
Im zweiten Teil geht es weiter mit positiven und negativen Beispielen aus der Nimzoindischen Eröffnung und Trompowsky.